Geburt

Ein Tag im September

Warum Geburt politisch ist und warum wir über Geburt reden müssen.

Gedanken zum ersten Leipziger Geburts-Tag

Gedanken zum ersten Leipziger Geburts-Tag

Letzten Sonntag trafen sich im wunderschönen Garten des Müttenzentrums (Treffpunkt Linde) 40 Akteur*innen rund um das Thema Geburt.
Der erste Leipziger Geburts-Tag fand statt.
Ich wurde auch eingeladen als Vertreterin der „Emotionalen Hilfen“.
Beim entspannten Brunch im Garten, leckerem Essen und viel Kaffee kamen wir zusammen, beäugten uns sehr neugierig und freuten uns über diesen geschaffenen Raum.
Denn, wie sich schnell herausstellte, hatten alle großen Bedarf sich auszutauschen und zu netzwerken.

Logo des 1. Leipziger Geburts-Tage


Leipzig ist eine gebärfreudige Stadt. Es wird viel und gern geboren. Jungen Familien bietet die Stadt viele Angebote, um sich wohl zu fühlen. Das reicht von der Schwangerschaft bis zur späteren Elternschaft.
Wie bunt diese Geburts- und Familienkultur wirklich ist, wurde mir bei diesem Treffen bewußt. Es gibt viele wundervolle Angebote und Unterstützer*innen für Frauen, Schwangere und Mütter.
Menschen, die Schwangere und Familien engagiert unterstützen, mitdenken und -fühlen; die Schwangerschaft, Geburt und Mutterschaft sichtbar machen. Menschen, die Frauen dort abholen, wo sie gerade stehen, mit all ihren Wünschen, Sorgen und auch Nöten.


Es kamen Hebammen aus mehreren Geburtshäusern sowie freischaffende und sehr engagierte Hebammen zusammen. Ich traf Doulas aus mehreren bestehenden Doula-Netzwerken. Ich lernte die Arbeit der Leipziger Mütterhelferinnen kennen, die Arbeit von AURYN (einem Familienberatungsangebot für Eltern mit psychischen Erkrankungen), den Verein für verwaiste Eltern (VEID), Motherhood e.V., inspirierende Paar- & Sexualtherapeutinen & Coacherinnen, Yogalehrerinnen, Geburtsfotografinnen und, und, und.

Mich umtreibt heute, vier Tage später, der Gedanke, wie politisch Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett und Mutterschaft ist.
Gerade da ich selbst beide Seiten kenne - diejenige als Mutter mit all den herausfordernden Erfahrungen sowie diejenige als Begleiterin und Therapeutin für Frauen - kann ich sagen, dass wir nicht oft genug über Geburt sprechen können. Um aufmerksam zu machen, was Geburt und Mutterschaft bedeuten.


So ist der Alltag einer Hebamme - und ich bekomme dies hautnah von meinen Praxiskolleginnen mit - häufig vielschichtig und komplex:
Von einer Vorsorge, bei der die Mutter sich um die Beckenendlage ihres Kindes sorgt, hin zu einem Wochenbett mit Stillproblemen, danach ein zügiger Weg ins Labor, um schnell eine Probe abzugeben und gleich danach zum nächsten Wochenbett, in dem die Frau gern ein Babyheilbad machen möchte, da sie eine traumatische Geburt erlebt hat.
So eilt sie von Termin zu Termin, gibt emotionale, medizinische und soziale Unterstützung.
Und für all das bekommen Hebammen eine finanzielle Entlohnung, die lachhaft ist, gemessen an der Verantwortung, die sie da bei jedem einzelnen Besuch tragen.


Schauen wir weiter zu den Doulas.
Doulas sind achtsame, liebevolle Begleiterin, die eine Schwangere emotional vor und während der Geburt begleiten. Unter der Geburt gewährleistet sie eine 1:1 Betreuung. Dies kann, besonders bei einer Klinikgeburt, die Hebamme oft nicht immer leisten. Heutzutage muss eine Klinikhebamme häufig mehr als „nur“ eine Geburt betreuen. Das führt dazu, dass sie von Kreißsaal zu Kreißsaal springen muss und eine Frau in der Öffnungsphase allein lassen muss, um zu einer anderen Frau zu eilen, die gerade in der Austrittsphase ist.
Eine 1:1 Betreuung jedoch macht Komplikationen unter der Geburt weniger wahrscheinlich. Komplikationen unter der Geburt wiederum können zu weiteren Folgen in der frühen Elternschaft führen, wie beispielsweise Anpassungsschwierigkeiten auf Seiten von Kind und Eltern (um hier nur einige zu nennen: Stillpropbleme, Bindungsschwierigkeiten, Schlafprobleme), aber auch Problemlagen im späteren Verlauf.
Eine Doulabegleitung jedoch ist etwas, was sich nur Frauen leisten können, die einerseits über ein Bewusstsein dafür verfügen und andererseits über das entsprechende Geld für diese Leistung.

Foto: Anika Krickl


Wen habe ich noch kennengelernt?

Mütterhelferinnen unterstützen Familien nach der Geburt. Sie kommen in die Familie, um zu kochen, im Haushalt zu helfen oder mal eine Runde mit dem Baby zu drehen, damit Mama mal zwei Stunden am Stück schlafen kann. Eine wundervolle Unterstützung stellt dies v.a. für Alleinerziehende oder Familien dar, bei dem ein Elternteil beruflich stark eingebunden ist und es keine weitere familiäre Unterstützung vor Ort gibt. Ich habe sehr engagierte und tatkräftige Mütterhelferinnen kennengelernt.
Mir wurde berichtet, dass es in ihrem Job leider auch Menschen gibt, die alles andere als angetan wären von ihrer Arbeit. So gibt es beispielsweise Gynäkolog*innen, die nichts mit dem Konzept anfangen können, dass „Vater Staat“ für die Unterstützung einiger Mütter aufkommt. Auch einige Krankenkassen legen hier viele Steine in den Weg und bezahlen die Mütterpflegerinnen nicht oder nur sehr schlecht.


Eine weitere engagierte junge Frau traf ich auf dem Geburts-Tag: sie war dort als Vertreterin des Mother Hood e.V. und berichtete mir, dass es aktuell sehr schwierig sei Nachwuchs zu finden, der sich für die Rechte von Eltern engagiert. Sie selbst sei in Leipzig die einzigste.
Ihr Verein setzt sich für eine sichere und gute Geburtshilfe ein. Dabei sei es zentral, dass Gewalt unter der Geburt, verhindert und aufgearbeitet werden muss. Mother Hood als Elternvertretung hat beispielsweise an der „S3-Leitlinie der vaginalen Geburt am Termin“ (veröffentlicht 12/20) mitgearbeitet. Eine Leitlinie, die stärker als zuvor die Rechte von Eltern und ihren ungeborenen Kinder schützt. Dieser Verein braucht dringend Unterstützung für seine Arbeit.


Und wie steht es bei mir? Mittlerweile gibt es viele Hebammen und Gynäkologinnen, die mich kennen und Frauen in Not meine Dienste vermitteln. Das ist wundervoll! Denn hatte ich doch, ganz zu Beginn meiner Freiberuflichkeit nicht nur positive Resonanz. So entgegnete mir seinerzeit eine Hebamme, die ich um Aufnahme in ihr Netzwerk bat, dass sie nur Ärztinnen, Anwältinnen und andere akademische Frauen betreue und es da keiner psychologischen Begleitung bedürfe. Ich war geschockt über so viel Ignoranz und bedauerte die Frauen, die möglicherweise dadurch nicht gesehen wurden in einer Notsituation.
Zum Glück sind mir solche Situationen nur selten und nun schon lange nicht mehr passiert.
Doch ist es noch immer so, dass es für meine Arbeit nur wenig finanzielle Unterstützung gibt.
Als freiberufliche Heilpraktikerin für Psychotherapie und angehende Verhaltenstherapeutin gibt es nur wenige Fonds, auf die ich zurückgreifen kann. Auch hier darf sich politisch etwas verändern.

Foto: Julia Thiele


Ich bin dankbar im 21. Jahrhundert zu leben, in einer immer aufgeklärteren Kultur und Gesellschaft. In einer Gesellschaft, in der Frauen und Geburt immer respektvoller und achtsamer behandelt werden. In der es so viele wundervolle Angebote und Unterstützungen gibt. Ich bin dankbar, in einer Stadt zu leben, in der so viel für Frauen und Familien getan wird uns es so viel Bewusstsein für das Thema Geburt gibt.
Doch sind wir noch lange nicht am Ende!

Gerade dort, wo Frauen am sensibelsten sind, in Situationen, in denen sie sich körperlichen und emotionalen Prozessen absolut hingeben sollten, damit sie gut laufen können, gerade dort, brauchen sie Unterstützung, Fürsorge, Obhut und Schutz.
Hier sind wir als Einzelne und als Gesellschaft vonnöten.
Unterstützen wir wo wir können.

Laßt uns über Geburt reden.


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